Am 28. Januar 2008 luden der HAC , die American Chamber of Commerce in Germany e.V. und die Handelskammer Hamburg zu einer Veranstaltung mit dem Thema:
Streitbeilegung im Handel mit Nordamerika
Streitbeilegung im Handel mit Nordamerika
Veranstaltung des Hamburg Arbitration Circle e.V.
und der American Chamber of Commerce in Germany e.V.
am Montag, den 28. Januar 2008
19:00 bis 21:00 Uhr,
Handelskammer Hamburg,
Adolphsplatz 1,
20457 Hamburg
Albert-Schäfer-Saal
Tagungsbericht:
Schiedsgerichtsstandort Hamburg
Streitbeilegung im Handel mit Nordamerika
Der Hamburg Arbitration Circle e.V. (HAC) veranstaltete am 28. Januar 2008 gemeinsam mit der Handelskammer Hamburg und der American Chamber of Commerce in Germany e.V. einen Vortragsabend zum Thema „Schiedsgerichtsstandort Hamburg – Streitbeilegung im Handel mit Nordamerika“. Die Veranstaltung setzte die bereits 2005 begonnene und von HAC und Handelskammer initiierte Vortragsreihe zur Schiedsgerichtsbarkeit fort.
Ziel der Vorträge und der anschließenden Diskussion mit den Tagungsteilnehmern war es, Unterschiede zwischen Schiedsverfahren im kontinentaleuropäischen Rechtsraum einerseits und im anglo-amerikanischen Rechtsraum andererseits aufzuzeigen und das Publikum für die Risiken und prozessualen Besonderheiten zu sensibilisieren, die ein amerikanisch geprägtes Schiedsverfahren für deutsche Parteien mit sich bringen kann. Zugleich sollte den Tagungsteilnehmern veranschaulicht werden, dass Schiedsverfahren als Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit in internationalen Rechtsstreitigkeiten die Möglichkeit bieten, durch flexible Verfahrensgestaltung unterschiedliche Erwartungen der Parteien aufgrund unterschiedlicher Rechtskulturen zu überbrücken und zur Geltung zu bringen. Die Abendveranstaltung mit anschließendem Imbiss im Merkur-Saal der Handelskammer Hamburg erfreute sich großen Zuspruchs.
Christian Graf von der Handelskammer Hamburg, Leiter des Geschäftsbereichs „Recht & Fair Play“, begrüßte die Tagungsteilnehmer und wies auf die traditionelle Bedeutung des Amerikahandels für den Wirtschaftsstandort Hamburg hin. Im Namen des Hamburg Arbitration Circle e.V. unterstrich Dr. Frank-Bernd Weigand in seiner Begrüßung die Bedeutung von Schiedsverfahren für die Hamburger Außenwirtschaft und stellte die Referenten des Abends vor. Jodi Gentilozzi, KPMG-Partnerin, betonte in ihrem Grußwort als Repräsentantin der American Chamber of Commerce in Germany e.V. die Vorteile von Schiedsverfahren im internationalen Verkehr gegenüber Gerichtsprozessen.
Als erster Vortragender des Abends berichtete Andreas Brosig, LL.M., Justiziar der MTU Maintenance Hannover GmbH, über „Praktische Erfahrungen mit dem Konfliktmanagement in Nordamerika aus Unternehmenssicht“. Er schilderte zunächst positive Erfahrungen mit U.S.-amerikanischen Gerichten anhand eines in den USA in der Position des Beklagten geführten Schadensersatzprozesses, der durch einvernehmliche Mediation unerwartet schnell durch einen Vergleich zu einem Abschluss gelangt war. Gleichzeitig erinnerte sich Herr Brosig jedoch auch an das arbeitsaufwendige „pre-trial discovery“-Verfahren, in dem die Parteien und ihre Vertreter fortwährend und schon vor Beginn des eigentlichen Verfahrens gezwungen waren, sich mit Anträgen der Gegenseite auf Offenlegung mehr oder weniger (un-)bestimmter Dokumente zu befassen und ihnen gegebenenfalls zu entsprechen. Anschließend erläuterte Herr Brosig die Unternehmens- und Vertragspraxis dahingehend, dass in Verträgen mit amerikanischen Vertragspartnern in der Regel mehrstufige Streitbeilegungsklauseln mit mehreren Eskalationsstufen vereinbart würden. Ein (schieds-) gerichtliches Verfahren komme stets nur als ultima ratio in Betracht. Um dennoch auf diesen Fall der ultima ratio vorbereitet zu sein, enthielten die Verträge aber immer Schiedsklauseln oder eine Gerichtsstandsvereinbarung. Im Verfahren sei es dann besonders wichtig, in jeder Situation flexibel zu reagieren.
Es folgte ein Vortrag über „Cultural Clashes: Civil & Common Law Besonderheiten in Schiedsverfahren mit USA-Bezug“ von Dr. Max Koebke, Siemens AG, und Dr. Inka Hanefeld LL.M., Friedrich Korch Hanefeld Rechtsanwälte, den Herr Dr. Koebke stellvertretend auch für Frau Dr. Hanefeld hielt. Herr Dr. Koebke begann seinen Vortrag mit einer Gegenüberstellung der prozessualen Besonderheiten von Schiedsverfahren in Deutschland einerseits und in den USA andererseits. Dabei ging er unter anderem auf Unterschiede hinsichtlich der Rolle des Schiedsrichters ein, der nach deutschem Verständnis das Verfahren aktiv leite, während im U.S.-amerikanischen Verfahren traditionell die Parteien bzw. ihre Rechtsvertreter den Prozess gestalteten und der Richter eine eher zurückgenommene, überwachende Rolle habe. Auch hinsichtlich der Beweiserhebung bestünden erhebliche Unterschiede, so zum Beispiel das bereits von Herrn Brosig beschriebene, in U.S.-Prozessen übliche „discovery“-Verfahren. Sodann stellte Herr Dr. Koebke anhand verschiedener internationaler schiedsverfahrensrechtlicher Regelwerke, wie z.B. den „IBA Rules on the Taking of Evidence in International Arbitration“ dar, wie der „Mix der Rechtskulturen“ internationale Schiedsverfahren in der Praxis bestimmt und wie Konflikte zwischen den verschiedenen Rechtstraditionen gelöst werden. Die Verfahrensregeln ließen dafür in der Regel dem Schiedsgericht einen großen Ermessensspielraum, so dass ein erfahrenes Schiedsgericht im besten Fall aus jeder Rechtsordnung übernehmen könne, was auf den speziellen Fall passe. Dabei seien immer die Wünsche und berechtigten Erwartungen der Parteien einschließlich Effizienz- und Kostengesichtspunkte soweit wie möglich zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Auswahl der Schiedsrichter in Verfahren mit Amerikabezug riet Herr Dr. Koebke abschließend dazu, insbesondere auf die Erfahrung des Schiedsrichters in internationalen Verfahren zu achten.
Anschließend sprach Dr. Mark C. Hilgard, LL.M., Mayer Brown Rechtsanwälte, über „(Elektronische) Discovery bei amerikanischen Schiedsverfahren“. Herr Dr. Hilgard stellte eingangs klar, dass nach den gängigen internationalen Schiedsverfahrensregeln elektronische Dokumente den Papierdokumenten entweder gleich gestellt seien oder das Schiedsgericht nach seinem Ermessen mit ihnen verfahren könne. Es sei daher ratsam, die Behandlung von elektronischen Dokumenten schon vor Verfahrensbeginn, eventuell bereits in der Schiedsvereinbarung zu klären und unter Umständen vom Discovery-Verfahren auszuschließen. Der Vortragende erstaunte die Teilnehmer mit einer scheinbar endlosen Aufzählung von elektronischen Daten, die in einem elektronischen Discovery-Verfahren offen zu legen seien. Neben den in diesem Kontext erwarteten E-Mails und gespeicherten Dokumenten erwähnte er beispielsweise angelegte, aber nicht gespeicherte Dokumente, „voicemail“-Nachrichten (auch gelöschte), besuchte Internetseiten einschließlich der Dauer des Besuchs, Kreditkartennummern und vieles mehr. Zur Durchsetzung einer Offenlegungsanordnung könne sich das Schiedsgericht dabei verschiedener wirksamer Mittel bedienen; denkbar sei das Ziehen negativer Schlussfolgerungen bzw. die Umkehr der Beweislast wegen verweigerter Vorlage von Dokumenten, oder ein Zwischenschiedsspruch („interim award“). Nach neuester U.S.-amerikanischer Rechtsprechung (In re Application of Roz Trading, Ltd., WL 3741078, N.D. Ga. Dec. 19, 2006) könnten sich die Beteiligten eines Schiedsverfahrens nach 28 U.S.C. § 1782 sogar der staatlichen Gerichte bedienen, um die Offenlegung zu erzwingen. Dr. Hilgard betonte die Bedeutung einer systematisch geführten Ablage und riet zum Aufstellen eines „document retention plans“, dem sich im Ernstfall entnehmen ließe, welche Dokumente in einem Discovery-Verfahren möglicherweise „privileged“ wären und aus welchem Grund.
Im Anschluss an die Vorträge folgte eine lebhafte und zum Teil kontroverse Diskussion, bevor die Veranstaltung bei einem amerikanischen Buffet einen geselligen Ausklang nahm.
Dr. Max Koebke,
Sophie Spetzler